Damals trainierte Wolf die A-Jugend der SV Böblingen. Die “Jungs” aus der damaligen A-Jugend der Saison 68/69 sind mittlerweile an die 70 und trafen sich am Mittwoch nach 50 Jahren zum ersten Mal wieder. Initiiert wurde das alles von Konstantin Russky, dem damaligen Kapitän Helmut Muschong und Trainer Werner Wolf, der damals direkt von den Aktiven ins Trainergeschäft übergegangen und dementsprechend selbst erst 25 Jahre alt war.

Beim großen Wiedersehen ein halbes Jahrhundert später organisierten sie ein Geh-Fußball-Spiel. Die gesamte Mannschaft zusammenzutrommeln war nicht leicht. Russky musste seit Juli viel telefonieren, um am Ende zwölf von 15 Spielern zu aktivieren. “Jeder gelungene Anruf gab mir neue Impulse, es weiter zu probieren”, erzählt “Conny”, wie er von den Mannschaftskollegen genannt wird. Von den Spielern, die am Mittwochfrüh eintrudeln, kommen manche von weit her. Torjäger Adi Gorczinsky beispielsweise, der 1968/69 sensationelle 66 Tore schoss, lebt jetzt in Frankfurt.

Vereint werden aber alle durch die Erinnerung an damals, an die famose A-Jugend-Saison 1969. Die SVB spielte damals in der Bezirksstaffel, der höchsten Klasse im Landkreis. Dort schossen die Böblinger ihre Gegner reihenweise ab, gewannen Spiele mit 12:0 und verwiesen am Ende Sindelfingen und Herrenberg auf die Plätze. Das Team erzielte dabei sensationelle 130:18 Tore und gewann auch noch den Bezirkspokal. Der Triumphzug endete später erst im Viertelfinale der württembergischen Meisterschaft, wo die Böblinger sich nach einem Sieg in der Verlängerung gegen Freudenstadt schließlich dem großen VfB Stuttgart geschlagen geben mussten. Der VfB, gespickt mit vier späteren Bundesliga-Profis, sei damals schlichtweg zu stark gewesen, sind sich Russky und Wolf einig. Trotzdem: eine grandiose Saison mit zwei Titeln und für die Spieler der perfekte Abgang aus der A-Jugend. Die meisten von ihnen schafften hinterher den Sprung in die erste oder zweite Mannschaft der SVB.

Bei der Rückkehr an den Ort des Triumphs schickt Werner Wolf seine “Jungs”, wie er sie immer noch liebevoll nennt, zuerst zum Aufwärmen und Dehnen, bevor es dann mit Ball losgeht. Die Böblinger Trainer-Legende leitet seine Mannen dabei sehr akribisch an. “Jetzt schlaucht er uns, wie in alten Zeiten”, ruft einer von ihnen. Denn Disziplin war Werner Wolf schon immer wichtig. “Zwar hatte er einen liberalen Umgang mit uns, aber das Training war schon hart”, erzählt Helmut Muschong.

Torhüter bekam die klare Linie des Trainers am eigenen Leib zu spüre

Der damalige Kapitän gehörte seinerzeit zum “harten Kern” des Teams, zusammen mit Kurt Koblowsky und Adi Gorczinsky, der sogar ein Probetraining bei Borussia Mönchengladbach unter Hennes Weisweiler absolvieren durfte. Im Training habe aber die gesamte Mannschaft immer mitgezogen, genau wie im Spiel. Dieser Zusammenhalt wurde zum großen Trumpf.

Eine freundschaftlich-lockere Atmosphäre macht sich breit, als es auf dem Rasen losgeht. Die Bewegungen sind zwar weniger spritzig als früher, aber die Fertigkeiten am Ball und das Spielverständnis sind immer noch vorhanden. Es entwickelt sich ein munterer Schlagabtausch. Die Regeln beim Geh-Fußball sorgen naturgemäß für einen ruhigen und gemächlichen Aufbau, aber die Spieler entwickeln durchaus ansehnliche Spielzüge und Kombinationen. Nach der ersten Hälfte steht es 2:2. Russky betont: “Das Wichtigste ist, dass sich keiner verletzt, es geht hauptsächlich um den Spaß.”

Auch Werner Wolf ist mit seinen 75 Jahren mittendrin und sieht, wie seine “Jungs” nach der Pause eine tolle Direktkombination über drei Stationen zum 3:3 vollenden. “Zack, zack, zack, so geht Fußball!”, schallt es begeistert von der Tribüne, wo Frauen und ehemalige Betreuer sitzen. Am Ende wird Werner Wolf selbst zur tragischen Figur, als er einen Rückpass versehentlich zum 3:4 ins eigene Tor lenkt. Sein früherer Kapitän Muschong setzt mit einem schönen Flachschuss zum 5:3 für Team Gelb den Schlusspunkt. Nach den etwa zweimal 20 Minuten stellen alle schnaufend fest: “Unterm Strich war das jetzt schon anstrengend.” Zum Ausklang geht es hoch in den Tribünen-Raum, wo schon Josef Fischer, Amtsleiter für Jugend, Schule und Sport der Stadt Böblingen, wartet. Er kennt einige der Spieler persönlich und stimmt sofort in die freudigen Erinnerungen mit ein. Hauptsächlich ist er aber hier, um Werner Wolf zu ehren und “Danke” zu sagen. “Werner Wolf ist nicht nur eine absolute Vereinslegende der SVB, sondern bis heute eine der prägenden Figuren im Böblinger Sport. Er ist eine richtige Institution. Dieser Mann war nicht nur als jahrelanger Jugendtrainer und aktiver Spieler wichtig für den Verein, sondern auch als Menschenbegleiter, der immer zur Hilfe bereit war und ist”, schwärmt Fischer und hinterlässt mit seiner Eröffnungsrede einen sichtlich bewegten Werner Wolf. Der Freistoß-Spezialist war auch in seiner aktiven Karriere sehr erfolgreich, stieg mit der SVB 1964 in die 1. Amateurliga auf und absolvierte über 400 Spiele. Danach übernahm er mehr als 30 Jahre verschiedene Jugendmannschaften.

Fürs Schwelgen in Erinnerungen hat Wolf seine Aufzeichnungen dabei, die er akribisch über die Jahre hinweg angelegt hat. Egal ob Aufstellungen, Tore oder Spielberichte – in Wolfs Büchlein findet sich jedes Detail der Saison 68/69. Diese war nicht nur wegen des Erfolgs besonders: Es war auch seine erste Saison als A-Jugendtrainer. Deshalb hat diese Mannschaft für ihn schon immer eine besondere Bedeutung. “Es war wichtig, dass die Jungs meine Ideen kapieren und verinnerlichen. Anfangs hat es damit noch nicht so geklappt, aber irgendwann hatten sie es drin, und dann lief es”, erzählt er.

Nötig war dafür eine klare Linie, die zum Beispiel Torhüter Manfred Zivny am eigenen Leib zu spüren bekam. “Er fand sich wegen mangelnder Disziplin und Leistung auf der Tribüne wieder und wurde durch einen Verteidiger ersetzt”, erinnert sich Werner Wolf noch gut. Und das, obwohl Böblingen damals noch keine Ersatzkeeper hatte. “Er kam bei diesem Spiel zwar mit der Sporttasche auf den Platz, durfte aber trotzdem nicht spielen.” Nach einem klärenden Gespräch riss sich der Schlussmann zusammen und zog fortan brav mit.

In der Meister-Mannschaft von 1969 gab es aber auch Spieler wie Goalgetter Adi Gorczinsky, die ganz nach dem Gusto des Trainers waren. Technisch gut, diszipliniert und effektiv. Außerdem beschwört Werner Wolf bis heute den großen Zusammenhalt und die Qualität des Kollektivs von damals. “Wir haben diesen Mannschaftsgeist ja auch beim gemeinsamen Kegeln geschärft”, lacht er.

Die Kombination aus akribischem Trainer und den mitziehenden Spielern funktionierte und trug die Böblinger zu ihren großen Erfolgen. Heute sitzen sie alle gemütlich zusammen und genießen die Gemeinschaft in alter Runde. Josef Fischer spricht von der “Fußball-Familie”, die sich damals gebildet habe und endlich wieder zusammengekommen sei. Wenn man in die Runde blickt, versteht man sofort, wovon er spricht.

Quelle : Kreiteitung Böblingen