Tolle Vorstellung in Nagold – Verlegenheitskeeper Florian Mayer hält Elfmeter – Schlitzohr Endrit Syla Vorbereiter und Torschütze
Verrücktes Fußballspiel: Da fährt die SV Böblingen ohne Torhüter zum VfL Nagold, der zuletzt zum Besten gehörte, was die Landesliga, Staffel III, zu bieten hatte – und kehrt nach 90 schier unglaublichen Minuten mit einem 5:0-Sieg zurück.
“Das war genau der Fußball, den wir spielen können”, schaute Trainer Thomas Siegmund überaus zufrieden drein, “im Kollektiv einfach überragend.” Und mit nachdenklicher Miene: “Dabei konnten wir uns doch hier eigentlich nur zum Affen machen.”

Bezogen war das vor allem auf die nicht ganz einfache Torhütersituation bei der SVB nach der Sperre von Dominik Traub bis März nächsten Jahres. Anfragen bei David Jach und Jens Wolf hatten offenbar nichts gebracht, Patrick Bäuerlein aus der Zweiten winkte verletzt ab, also sollte André Esteves zwischen die Pfosten gehen. “Bei der Abfahrt mit dem Bus haben wir uns dann doch anders entschieden.” Die Wahl fiel auf Mittelfeldmann Florian Mayer. “Ich habe in der Jugend schon mal im Tor gespielt. Und so viel zu halten habe ich ja gar nicht bekommen.”

Die vielleicht entscheidende Szene des Spiels in der 30. Minute: Sascha Raich ließ im Sechzehner gegen Burak Tastan den Fuß stehen, der Schiedsrichter entschied auf Elfmeter, doch Mayer blieb lange stehen und gegen Luka Kravosacnec tatsächlich Sieger. “Den habe ich ausgeguckt”, meinte er mit einem Schmunzeln.

Es hätte noch einmal die Wende sein können in dem Spiel, das zu diesem Zeitpunkt bereits 0:2 stand. Nach einem Fehler der Nagolder in der eigenen Hälfte schaltete Endrit Syla blitzschnell, sein Gassenball landete bei Sascha Raich – 0:1 (25.). 120 Sekunden später zirkelte wieder Syla einen Freistoß Richtung Tor, Fabian Schragner lief durch und hielt den Kopf hin – 0:2. Zuletzt gegen Seebronn war’s bei einer fast identischen Aktion der Fuß.

Die Nagolder waren geschockt, erst recht nach dem Elfmeter-Fehlschuss, verzettelten sich immer wieder im Abseits. Die Böblinger hingegen räumten auf dem kleinen Kunstrasen spätestens vor dem eigenen Sechzehner alles ab, um ihrem Keeper dahinter das Leben so angenehm wie möglich zu machen.
Mit dem 3:0 Marke “Tor des Monats” macht Endrit Syla vorzeitig alles klar

Doch noch stand die zweite Hälfte bevor – 45 Minuten Zeit für den Tabellendritten. Für die ersten Aufreger sorgte aber wieder die SVB. Erst zischte ein abgefälschter 18-Meter-Schuss von Endrit Syla nur haarscharf am Kasten vorbei, dann nahm der frühere Sindelfinger knapp hinter der Mittellinie Maß, und wie an der Schnur gezogen landete sein Schuss über den zu weit vor dem Tor stehenden VfL-Keeper Matthias Müller zum 0:3 im Netz. Vielleicht sollten die Böblinger den Treffer bei der ARD einreichen, Chancen auf das “Tor des Monats” hätte er allemal.

Nagold war endgültig bedient, die letzte knifflige Situation entschärfte Florian Mayer ganz unkonventionell mit dem Fuß – fehlte nur noch, dass er den Ball kurz vor der Torlinie gestoppt hätte. Nach einer abgewehrten Raich-Ecke visierte Daniel Knoll das lange Eck an – 0:4. Dann lupfte Daniel Fredel, den Siegmund am Freitagabend überraschend aus dem Hut gezaubert hatte, einen Freistoß auf Tim Kühnel, dessen scharfe Hereingabe veredelte Abdoul Goffar Tchagbele – 0:5. “Das war Fußball mit Herz”, strahlte SVB-Betreuer Rolf Kowalczyj, Und mit einem Lachen: “Alle Spieler in die ,Elf des Tages’.”

Auf der Gegenseite schüttelte VfL-Trainer Armin Redzepagic nur noch den Kopf: “Das kommt heraus, wenn bei der einen Mannschaft gar nix, bei der anderen dafür alles läuft.” Und mit einem Schulterzucken: “Als ich gehört habe, dass Böblingen nach dem Platzverweis für Traub ohne Torwart kommt, hatte ich schon ein schlechtes Gefühl. Meine Spieler haben wohl geglaubt, das geht von alleine.” Womit sie gewaltig daneben lagen. “Dass wir Qualität haben, ist sicher unbestritten”, stellte SVB-Coach Thomas Siegmund fest. “Sonst hätten wir angesichts dieser schwierigen Rahmenbedingungen nicht schon so viele Punkte geholt. Andere Mannschaften wären da vielleicht mit einer glatten Null rausgegangen.”

Auf jeden Fall machten die Böblinger einen großen Schritt weg von den hinteren Tabellenplätzen, in Sicherheit wiegen können sie sich deswegen aber nicht. “Nächsten Freitag gegen Holzgerlingen haben wir doch wieder das gleiche Problem”, so Siegmund. Dann fehlt Daniel Fredel, Florian Mayer wird wieder im Mittelfeld gebraucht – und fürs Tor ist keiner mehr da.

SV Böblingen: Mayer, Lechleitner, Fredel (76. Baumeister), Knoll, Syla (64. Kühnel), Schragner, Frölich, Esteves (70. Tchagbele), Raich, Sener, Dodoli. Tore: 0:1 (25.) Raich, 0:2 (28.) Schragner, 0:3 (51.) Syla, 0:4 (67.) Knoll, 0:5 (73.) Tchagbele. Schiedsrichter: Popp (Biberach). Zuschauer: 150.

Quelle:Kreiszeitung Böblingen