Zwei komplett unterschiedliche Halbzeiten beim gerechten 1:1 zwischen Tabellenführer SV Böblingen und dem FC Gärtringen
Der Wind, der Wind, das himmlische Kind: Ganz so martialisch wie im Kinderlied zum Grimm-Märchen “Hänsel und Gretel”, die beide unliebsame Bekanntschaft mit einer Hexe machen, ging es im Derby zwischen der SV Böblingen und dem FC Gärtringen nicht zu, beim 1:1 spielte der Wind aber auch eine entscheidende Rolle.
Eine Halbzeit lang sah Gärtringen, mit kräftiger Unterstützung von hinten, wie der sichere Sieger aus, führte aber nur 1:0. Danach drehte das Spiel komplett. “Am Ende müssen wir fast froh sein, wenigstens das 1:1 mitzunehmen”, war Gäste-Trainer Hanjo Kemmler über die Leistung seiner Mannen im zweiten Durchgang “regelrecht stinkig”. Für seinen Böblinger Kollegen Thomas Siegmund war das Unentschieden “leistungsgerecht”. “Bei dem Wind haben sich beide schwer getan.”
Wie tückisch die Verhältnisse waren, musste SVB-Keeper Dominik Traub schon nach wenigen Sekunden erfahren, als sein Abspiel 20 Meter vor dem Tor genau in den Füßen von Leo Saku landete, der aber zu wenig aus dieser unverhofften Möglichkeit machte. Hohe Bälle blieben in der Regel in der Luft stehen oder wurden völlig verweht, Auch das Laufen fiel mit dem Wind im Rücken viel leichter.
Fast ein Treffer von Fabian Seydt aus dem Kuriositätenkabinett
Nächste Kostprobe: In der fünften Minuten sprang ein weiter Abschlag von FCG-Keeper Fabian Seydt vor Traub auf, beschleunigte, flog über die Böblinger Nummer eins und streifte die Querlatte. Es wäre ein Treffer für den ARD-Wettbewerb “Tor des Monats” gewesen. Sich auf diese widrigen Bedingungen einzustellen, fiel dem Tabellenführer nicht leicht. “Wir haben in der ersten Hälfte nicht zu unserem Spiel gefunden”, räumte Siegmund ein. Was vielleicht auch am Fehlen von Flitterwöchner Daniel Fredel lag, mit seiner Übersicht und Präsenz aus dem Böblinger Mittelfeld eigentlich nicht wegzudenken.
Ganz anders die Gärtringer, die sichtlich beflügelt fast schon nassforsch den Vorwärtsgang einlegten. “Wir waren richtig gut im Spiel”, war Hanjo Kemmler angetan. “Gute Ballstafetten, gutes Umschaltspiel – das hat mir ausgezeichnet gefallen.” Im Zentrum schwang der Ex-Böblinger Besim Ramadani den Taktstock, auf den Außen wirbelten Christian Mijic und Leutrim Goxhuli, in der Spitze waren Maikel Boric und Mosa El Arkoubi ständig anspielbar. Ein Gassenball von El Arkoubi auf Boric endete im Abseits, dafür war für Böblingen nach 14 Minuten alles zu spät. Nach einer Flanke von Goxhuli kamen sich Maikel Boric und Fabian Schragner ins Gehege, der Gärtringer fiel, der Schiedsrichter pfiff – Elfmeter. Dominik Traub war an dem platziert getretenen Schuss von Boric noch dran, konnte das 0:1 aber nicht verhindern. “Was daran Elfmeter gewesen sein soll, erschließt sich mir nicht”, haderte Siegmund mit der Entscheidung. “Ob das gerecht war oder nicht, sollen andere entscheiden”, nahm Kemmler die Führung gerne mit.
Vom Anstoß weg: Ballverlust Böblingen, Goxhuli hat freie Bahn, hätte abschließen können, wählte aber den Querpass auf Boric, der von Max Frölich im allerletzten Moment weggegrätscht wurde. Die SVB stand neben sich, den ersten Aufreger vor dem anderen Tor gab’s erst nach 20 Minuten, als Marc Hetzel den Turbo zündete, sein Rückpass auf Florian Mayer aber abgeblockt wurde. 60 Sekunden später schob Philip Kalmbach einen Freistoß von Daniel Knoll in aussichtsreicher Position vorbei.
Die bessere Mannschaft blieb aber der FC Gärtringen. Eine Mijic-Flanke segelte völlig unberechenbar in den Sechzehner, El Arkoubi schob und drückte, wand sich um seinen Gegenspieler und spitzelte den Ball tatsächlich über die Torlinie. Doch der Schiedsrichter entschied auf Foul. Und hinterließ damit bei Thomas Siegmund erneut einen fragenden Gesichtsausdruck: “Ich weiß nicht, warum er das Tor nicht gegeben hat. Das war Glück für uns.”
Bei einem 18-Meter-Schuss von El Arkoubi und einem Ramadani-Freistoß war Traub zur Stelle, lenkte den Ball beide Male zur Ecke, auf der Gegenseite zielte Semih Emirzeoglu nach einem Raich-Zuspiel vorbei, ehe bei einem Knoll-Freistoß nicht viel fehlte. Böblingen tauchte nicht oft vor dem Gärtringer Tor auf, war aber nicht ungefährlich. Halbzeitfazit von Dieter Schneider, stellvertretender Abteilungsleiter der SV Böblingen: “Der Gegner ist in den Zweikämpfen viel galliger als wir.” Zufrieden stapfte auch Hanjo Kemmler in die Kabine. Einziger Schönheitsfehler: “Wir hätten 2:0 oder sogar 3:0 führen müssen.”
Nach dem Wechsel hatte Christian Mijic die erste Möglichkeit, als er an Kalmbach vorbeizog, aber an Traubs Fußabwehr scheiterte (46.) Danach verabschiedete sich der FCG urplötzlich vom Spiel. “Wir haben die Führung nur noch verwaltet und die Räume nicht mehr zugemacht, waren nicht mehr eng genug an den Gegenspielern dran”, ärgerte sich Kemmler. “So etwas geht mir ganz gewaltig gegen den Strich.” Nach Zusammenspiel mit Tim Kühnel tauchte Sascha Raich im FC-Sechzehner auf, aber die Chance verpuffte. Die nachfolgende Ecke fiel Max Frölich vor die Füße, doch dessen Schuss segelte weit übers Tor.
Feiner Fuß von Daniel Knoll und Sascha Raich mit Köpfchen – 1:1
Böblingen war dran, Gärtringen bettelte um den Ausgleich. Vor allem die vielen Standardsituationen bedeuteten immer wieder Gefahr. Nach 63 Minuten zog Marc Hetzel an Emre Önal vorbei, der trat dem Böblinger in die Hacken, der Schiedsrichter hatte schon die Pfeife im Mund, zeigte aber kein zweites Mal auf den Elfmeterpunkt. Stattdessen zeigte er dem protestierenden Hetzel Gelb. Der überfällige Ausgleich fiel dafür acht Minuten später: Einem raffinierten Freistoß von Daniel Knoll gab Sascha Raich mit dem Kopf die leichte, aber entscheidende Richtungsänderung, Fabian Seydt konnte dem Ball nur noch hinterherschauen – 1:1.
Dabei blieb’s. Böblingen setzte nach, kam aber nicht mehr zu Möglichkeiten, Gärtringen war längst aus der Spur geraten. Am Ende schienen beide irgendwie froh zu sein, nicht verloren zu haben. Für die SVB war’s das erste Unentschieden nach fünf Siegen, für den FCG wuchs immerhin der Rückstand nicht noch weiter an.
SV Böblingen: Traub (2), Sener (2,5/60. Hornung 2), Kalmbach (2,5), Kühnel (2,5/83. Schilling), Mayer (2/86. Moreira), Knoll (1,5), Emirzeoglu (2,5), Schragner (2), Frölich (1,5), Raich (1,5), Hetzel (2/74. Tchagbele 2). FC Gärtringen. Seydt (2), Cavcic (2), Saku (2/69. Buscaglia 2,5), Theurer (1,5), Önal (2), Goxhuli (2/75. Kemmler), Boric (1,5), Iliksoy (2,5/75. Heinemann), Mijic (1,5), Ramadani (2), El Arkoubi (2/80. Borgia). Tore: 0:1 (14. Foulelfmeter) Boric, 1:1 (71.) Raich. Schiedsrichter: Röhrig (Gmünd). Zuschauer: 400. Bewertung: 1= starke Vorstellung, 2 = Licht und Schatten, 3 = schlechter Tag.
Quelle:(Kreiszeitung Böblingen)