Hauptversammlung in Böblingen – Rund 155 000 Euro Schulden – Evelyn Klumpp stellt sich nicht mehr zur Wahl
Das neue Vorstandsmitglied Alexander Kayser hat sich fest vorgenommen, die Böblinger Fußballabteilung wieder auf Kurs zu bringen: Eine neue Geschäftsordnung ist der Anfang, entscheidend aber ist, ob es gelingt, sie auch mit Leben zu füllen.
Foto: Philipp Koch
Die Zeiten, als auf Hauptversammlungen wahre Fußballschlachten geschlagen wurden, sind längst vorbei. Das gilt auch für die SV Böblingen. Die Resonanz am Montagabend war überschaubar, obwohl wichtige Entscheidungen anstanden.
23 Namen hatten sich auf die Anwesenheitsliste eingetragen – keine überwältigende Zahl bei insgesamt 635 Mitgliedern. Darunter zahlreiche Spielerinnen der zwei Frauen-Teams, die sich auch noch vorzeitig ins Training verabschiedeten, womit sich die Reihen noch mehr lichteten.
Im Fokus standen der Kassenbericht von Vereinsmanager Harald Link, der keine guten Zahlen verkünden konnte, die Versammlung aber auch nicht ganz hoffnungslos zurückließ, sowie die von Vorstandsmitglied Dr. Alexander Kayser erarbeitete neue Geschäftsordnung, mit der die ehrenamtliche Arbeit in der Abteilung auf eine tragfähige Basis gestellt werden soll. Sie gilt es jetzt aber auch mit Leben zu füllen.
Rückblick: Ziemlich genau drei Jahre sind seit der letzten Hauptversammlung vergangen. “Damals hatten wir den Abstieg aus der Verbandsliga zu verkraften, der nicht geräuschlos vonstatten ging”, richtete der stellvertretende Abteilungsleiter Dieter Schneider den Blick noch einmal zurück. “Seither ging es sportlich aber wieder aufwärts.” Zuletzt reichten 70 Punkte nur zu Platz zwei, die Rückkehr ins württembergische Oberhaus verpasste die SVB an einem Mittwochabend im Relegationsspiel im weit entfernten Ravensburg. “Erfreulich dafür: Unsere Frauen haben zweimal den Bezirkspokal gewonnen und sind in die Regionenliga aufgestiegen.”
Was ihn aber viel mehr umtreibt: “Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass mehr Personen benötigt werden, um den Anforderungen gerecht zu werden, es lastet zu viel Arbeit auf zu wenigen Schultern.” Auf die Frage, ob ihm sein Amt aktuell noch Spaß machen würde, kommt als Antwort ein “klares Nein”. Und nach kurzem Nachdenken: “Es gibt sie aber noch, die Ehrenamtlichen und Enthusiasten. Als ich neulich nachts eine Mail verschickt habe, bekam ich fünf Minuten später eine Antwort. Da konnte noch einer nicht schlafen.”
An seiner Seite: Jugendleiter Detlef Büttner, der von einer stabilen Mitgliederzahl berichtete und dem Problem, “dass viele Kinder gar nicht aufgenommen werden können”. Was auch an den Platzkapazitäten liegt. “Ein zusätzlicher Kunstrasen wäre wünschenswert. Außerdem sollten die Duschen im Stadion dringend saniert werden. Das macht keinen guten Eindruck auf unsere Gäste.” Die U15 ist nach dem Aufstieg in die Oberliga das Aushängeschild, dafür tat der verpasste Aufstieg der A-Jugend in die Verbandsstaffel weh. Büttner hin- und hergerissen: “Immer mehr Böblinger geraten ins Visier der großen Klubs wie Hoffenheim, VfB oder Kickers. Natürlich legen wir ihnen keine Steine in den Weg, auch wenn sie in unseren Mannschaften fehlen.” Mahnende Worte hatte er aber auch in Richtung eigene Aktive: “Für mein Verständnis wurden zu wenige Jugendspieler übernommen. Das kann nicht Sinn unserer Ausbildung sein.”
Die schwindende Bereitschaft, ein Ehrenamt zu übernehmen, bereitet auch ihm Kopfzerbrechen. “Ich empfange jeden mit offenen Armen. Das gilt auch für Sponsoren.” Sein Traum: “Dass viele Böblinger Firmen für den SVB-Fußball einstehen, um in Württemberg wieder ein gewichtiges Wörtchen mitzureden.”
Fast schon resigniert hat dafür Evelyn Klumpp von den Frauen und Mädchen, womit die nur noch aus einem Trio bestehende Abteilungsleitung komplett war. “Ich bin am Tiefpunkt”, räumte sie mit leiser Stimme ein. “Frauenfußball wird bei vielen Leuten immer noch suspekt angesehen, dabei haben auch wir wir die Berechtigung, bei der SVB zu spielen. Und zwar ganz einfach, weil es uns Spaß macht.” Seit 2007 ist sie im Amt, das Warten, dass jemand kommt, der ihre Aufgaben übernimmt, hat sie mürbe gemacht. “Nehmen ist heutzutage wichtiger als geben. Ich lebe aber vielleicht auch noch in alten Zeiten mit alten Werten”, ist sie mit vielem nicht mehr einverstanden. Dazu gehören die Akzeptanz im eigenen Verein, aber auch die vielen Absagen im Frauenbereich. “Zum Teil aus Gründen, die für mich schon lange nicht mehr nachvollziehbar sind.” Immerhin hat die SVB als einziger Verein eine Mädchenmannschaft bei der U11. “Zum Spielen müssen wir deshalb in Nachbarbezirke ausweichen. Aber man sieht an ihnen, dass doch nicht alles umsonst ist.”
Finanzen: Nichts Gutes hatte Vereinsmanager Harald Link mitgebracht. Die Einnahmen und Ausgaben werden schon eine ganze Weile auf der SVB-Geschäftsstelle verbucht, weil die Fußballabteilung keinen eigenen Kassierer mehr hat. In den beiden vergangenen Jahren ergab sich jeweils ein Fehlbetrag von über 50 000 Euro, der deshalb so hoch ausfiel, weil dabei alte Forderungen verrechnet und getilgt wurden. “Insgesamt handelt es sich um ein strukturelles Defizit jedes Jahr in Höhe von 15 000 bis 20 000 Euro, um auf eine schwarze Null zu kommen.” Womit der Schuldenstand auch wieder auf insgesamt rund 155 000 Euro angewachsen ist. Kleiner Trost von Harald Link: “Es bestehen keine Verbindlichkeiten nach außen, das wird alles intern verrechnet.” Im Klartext: Die Fußballer stehen ausschließlich beim Hauptverein in der Kreide.
Wobei der Vereinsmanager aber auch auf “vernünftige Zahlen” auf der Ausgabenseite im Spielbetrieb verwies, die um fast 20 000 auf nur noch 83 500 Euro reduziert wurden. “Natürlich müssen wir uns trotzdem jeden Posten ansehen, aber das Problem ist die Einnahmeseite.” Als Beispiel dienten ihm die zurückgegangenen Spenden von 2015 (36 000 Euro) auf nur noch 10 000 im vergangenen Jahr. “Mehreinnahmen sind möglich, aber das bedeutet auch Klinkenputzen”, lautet seine klare Ansage. Und in Richtung Heinz Herberth, der mit der BBG einen neuen Hauptsponsor für die SVB-Fußballer an Land gezogen hat: “Ihn müsste man klonen.” Klare Ansage von Link: “Ein ,Weiter so’ kann es nicht geben. Allerdings muss man auch perspektivisch auf die Zahlen blicken, Entwicklungsmöglichkeiten sind zu erkennen.”
Die neue Geschäftsordnung: Der Hoffnungsträger im SVB-Fußball heißt Alexander Kayser, seit der letzten Delegiertenversammlung Vorstandsmitglied und damit für die Abteilung zuständig. Eine Aufgabe, die er sehr ernst nimmt und in die er sich mit Verve stürzt. “Ich habe in den vergangenen Wochen und Monaten viel dazugelernt und auch viele coole Leute getroffen”, sorgte der 33-Jährige, der einen Doktortitel als Ingenieur besitzt und deutschlandweit als Berater unterwegs ist, erst einmal für gute Laune. Auch wenn er einräumte, “dass die vorgelegten Zahlen eher ein Stimmungskiller sind”. Problemstellung für ihn: “Wir haben langfristig ein Defizit von jährlich 15 000 bis 20 000 Euro. Obwohl die Ausgaben noch einmal um fast 20 000 Euro nach unten gingen, ist das Ergebnis schlecht. Wir können uns aber nicht noch weiter gesundsparen. Also: Wie kann man das ändern? Wie bekommen wir die Finanzen sauber hin?” Leidtragender der Misere ist für ihn vor allem die Mannschaft in der Landesliga, die unter anderem ohne Co-Trainer und Physio auskommen muss – “der eher schlechte Saisonstart ist deshalb die logische Konsequenz”. Gleichzeitig beugt er aber auch zu großen Erwartungen vor: “Ich bin jetzt nicht der große Heilsbringer, bin keiner, der alles besser weiß. Ich lerne jeden Tag dazu.”
Sein Projekt: eine neue Geschäftsordnung für die Abteilung. “Nichts Aufregendes, ich habe das auch nicht neu erfunden, sondern mich bei anderen Vereinen umgesehen.” Interessant darin ist vor allem der Paragraf zwölf, in dem es um die so genannten Bereichsleitungen geht und die er für den männlichen Aktivenbereich (“bei den Frauen und der Jugend läuft’s ja trotz aller Schwierigkeiten”) gerne als “Profit-Center” sehen würde. Inklusive schneller Rückkoppelung mit ihm als Vertreter des SVB-Vorstands. “Personal, Finanzen, Marketing und Sponsoring, Spielleitung”, zählt Alexander Kayser vier Positionen auf. “Klar definierte Aufgabenumfänge, für die wir jetzt noch die richtigen Leute finden müssen.” Seine Fühler hat er schon ausgestreckt Kontakte geknüpft und vielversprechende Gespräche geführt. “Eine ambitionierte Idee”, gibt er zu, “aber ich werde nichts unversucht lassen.” Und an die Adresse von Dieter Schneider gewandt: “Ich verspreche, das Amt wird auch wieder Spaß machen.”
Wahlen: Nach der einstimmigen Entlastung der bisherigen Funktionsträger und der beschlossenen Geschäftsordnung stellten sich Dieter Schneider als stellvertretender Abteilungsleiter und Detlef Büttner als Jugendleiter zur Wiederwahl. Bei Evelyn Klumpp handelte sich Harald Link einen Korb ein. “Ich habe schon vor drei Jahren gesagt, dass es das letzte Mal sein wird. Und dabei bleibe ich.” Womit die Führungscrew der SVB-Fußballer auf nur noch zwei Personen geschrumpft ist. Ein kleines Hintertürchen lässt Evelyn Klumpp offen: “Ich werde im Hintergrund weiterhin helfen, meine Frauen und Mädchen also nicht im Stich lassen.” Das positiv stimmende Schlusswort gehörte dem Vereinsmanager: “Ich bin sicher, dass wir in zwei Jahren in einer anderen Perspektive auf alles schauen werden”, so Harald Link.
Quelle: Kreizeitung Böblingen